Warum uns die Arbeit nicht ausgehen wird

Eine Definition von Arbeit

Immanuel Kant gibt in seiner Metaphysik der Sitten eine interessante Definition von Geld. Geld sei „[…] das allgemeine Mittel, den Fleiß der Menschen gegeneinander zu verkehren[…]“[1]

Interessant ist diese Definition deshalb, weil Kant das Augenmerk auf den menschlichen Fleiß legt. Die meisten von uns kennen dies aus dem Alltag nur zu gut: Wir müssen arbeiten, um Geld zu bekommen. Wir müssen fleißig sein. Umgekehrt können wir uns mit dem Geld den Fleiß anderer Menschen zukommen lassen. Auch, wenn wir Waren kaufen, so kaufen wir den Fleiß anderer. Denn es war aufwendig, das Produkt herzustellen, sei es, die Fabrik aufzubauen, sei es, überhaupt die Idee der Ware zu haben, sei es, den Produktionsprozess zu entwickeln, oder sei es auch nur, Risiken einzugehen, die andere nicht eingehen wollen. Die größten Ausgaben der meisten Unternehmen sind die Personalkosten, das heißt die Kosten für den Fleiß der darin arbeitenden Menschen. Somit lässt sich zusammenfassend gut sagen: Der Wert von Geld kommt auch daher, weil man sich den Fleiß anderer aneignen kann.

Natürlich gibt es nicht zu vernachlässigende Ausnahmen dieses Prinzips. Manche können Geld erlangen, ohne fleißig zu sein. Sei es einerseits Menschen, die durch staatlich sanktionierte Umverteilungsmaßnahmen auch ohne Arbeit zu Geld kommen. Sei es andererseits Menschen, die wiederum durch staatlich durchgesetzte Eigentumsgrenzen, wie Grundstücksgrenzen, ohne Arbeit zu Geld kommen. Man denke nur an Mieteinnahmen die teilweise nur dadurch möglich sind, dass Wohnraum durch staatliche Regeln wie Bauvorschriften oder Grundstückswidmungen knapp gehalten wird. Weiters heißt Fleiß nicht unbedingt gleich Einkommen, wovon viele allein erziehende Mütter oder Väter ihr leidiges Lied singen können.

Aber bleiben wir einstweilen bei der Grundannahme, dass man mit Geld den Fleiß der Menschen austauscht.

Knappheit und Geld

Wie verhält es sich nun, wenn für manche Dinge menschlicher Fleiß nicht mehr notwendig ist? Dann verliert das Geld seine Macht über diese Dinge. Wenn es nicht aufwendig ist, etwas zu erschaffen, so wird man nichts dafür zahlen müssen. Ein Blatt Papier mit einem Strich darauf ist beispielsweise für fast jedermann selber herstellbar. Wir würden niemanden dafür bezahlen, das für uns zu machen. Brauche ich jedoch auf einmal tausend Blatt Papier mit einem Strich darauf, so ist dafür so viel Fleiß nötig, dass ich eventuell jemanden bezahle. Sauerstoff wird uns noch von den Ökosystemen im Überfluss zur Verfügung gestellt. Daher muss man für das Atmen nicht bezahlen. Das heißt umgekehrt: Möchte ich Geld verdienen, muss ich zumeist für andere fleißig sein.

In anderen Worten ausgedrückt: Was nicht knapp ist, ist nichts wert. Mit Dingen des Überflusses kann man kein Geld verdienen.

Technologischer Fortschritt befreit uns nun von Tätigkeiten. Dinge, die früher in der Herstellung sehr aufwendig waren, können heute durch Maschinen sehr schnell, einfach und in großer Stückzahl produziert werden. Somit ist für viele Dinge heutzutage nicht mehr so viel menschlicher Fleiß nötig. Braucht man weniger Menschen in der Herstellung, sinken die Personalkosten und damit potenziell die Verkaufspreise. Daher sind diese Dinge auch sehr billig geworden. Dies führt wiederum dazu, dass sich mehr Menschen mehr Dinge leisten können.

Das bedeutet jedoch, dass man Einkommen nur durch knappe Tätigkeiten erzielen kann. Um einen Arbeitsplatz zu haben muss man eine Tätigkeit suchen, die Fleiß erfordert.

Arbeit kann uns also so lange nicht ausgehen, wie es knappe Dinge, also Dinge gibt, für die es menschliche Arbeitskraft braucht. Umgekehrt sind Dinge, für die es keine menschliche Arbeitskraft braucht, in den meisten Fällen nicht knapp. Es gibt also einen Zusammenhang zwischen Knappheit, Fleiß, Einkommen und Geld, welcher sich über die Preise ausdrückt.

Wie verhält es sich mit dem BGE?

Nun werden international Stimmen für das Bedingungslose Grundeinkommen (BGE) laut, begründet durch den technologischen Fortschritt. Das Argument lautet, dass die Maschinen uns bald die gesamte Arbeit abnehmen und wir daher ein BGE brauchen. Diesen Denkansatz habe ich schon an anderen Stellen kritisiert.

Nach obigen Ausführungen kann davon ausgegangen werden, dass uns die bezahlte Arbeit eigentlich nicht ausgehen kann. Zwar werden einzelne Stellen oder gar ganze Branchen durch Maschinisierung ersetzt, das ist klar. Genau so, wie der Kämmler https://de.wikipedia.org/wiki/K%C3%A4mmler, Donkeyman https://de.wikipedia.org/wiki/Donkeyman oder Draufschläger https://de.wikipedia.org/wiki/Draufschl%C3%A4ger ausgestorben sind und eigentlich niemand diese Berufe vermisst.

Arbeit wird nicht ausgehen

Aber dass sämtliche Knappheit im obigen Sinne aufhört zu existieren, ist unwahrscheinlich. Selbst wenn sämtliche Hand- und Kopfarbeiten schon von Maschinen und Computern erledigt werden können, so wird es zwischenmenschliche Tätigkeiten geben, die nicht von Robotern durchführbar sind. Solange es auch nur die eine oder andere zwischenmenschliche Tätigkeit gibt, die menschlichen Fleiß erfordert, auch wenn es „nur“ ein gutes Zuhören ist, so lange wird es auch bezahlte Jobs geben. Wenn man eine Tätigkeit findet, die andere brauchen und nicht selber ausführen können oder wollen, so wird man in den meisten Fällen auch ein Einkommen dafür finden werden. Und das unabhängig von möglicher Maschinisierung.


[1] Zitiert aus: Asmuth, Christoph; Nonnenmacher, Burkhard; Schneidereit, Nele [Hrsg.]: Texte zur Theorie des Geldes. Philipp reclam jun. GmbH & Co. KG. Stuttgart: 2016. Reclams Universal-Bibliothek Nr.19370. S.77.

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